Montag, 02. September 2024

150. Geburtstag Stadtschultheiß Johannes Schnitzler

Vor 150 Jahren wurde der letzte Stadtschultheiß Friedrichshafens geboren. Als Verwaltungsbeamter setzte er sich gegen einen Akademiker bei den Wahlen 1920 durch, wurde aber 1933 von den NS-Machthabern als Bürgermeister abgesetzt. Johannes Schnitzler (1874-1957) war das erste Häfler Stadtoberhaupt, dem die Ehrenbürgerschaft zuteil wurde.
Porträt von Johannes Schnitzler im Kleinen Sitzungssaal. (Foto: Stadt Friedrichshafen)
Porträt von Johannes „Hans“ Schnitzler im Kleinen Sitzungssaal im Rathaus am Adenauerplatz, dort sind die Stadtoberhäupter Friedrichshafens zu. Ein weiteres Porträt ist im Rathaus in dem Flur vor dem Großen Sitzungssaal zu finden.

Johannes „Hans“ Schnitzler wurde am 7. September 1874 in Erolzheim geboren, einer traditionell katholischen Ortschaft im heutigen Landkreis Biberach. Schnitzlers Amtszeit fällt mit der Weimarer Republik zeitlich zusammen, zieht man die knapp zwei Jahre währende restliche Amtszeit seines Vorgängers, Stadtschultheiß Adolf Mayer (reg. 1908-1920), ab. Es heißt, dass Mayer gegenüber den revolutionär gesinnten Industriearbeitern zu milde agierte, daher wurde der Verwaltungsbeamte Schnitzler 1920 erste Wahl. 

Schnitzler war bereits seit 1897 Schultheißenamtsassistent und ab 1906 Ratschreiber in der Friedrichshafener Stadtverwaltung, von 1906 bis 1908 vertrat er den erkrankten und dann früh verstorbenen Stadtschultheißen Peter Schmid, bevor er 1908 seine Kandidatur zur Nachfolge Schmids wieder zurückzog, weil sich einflussreiche Bürger für den Akademiker Adolf Mayer ausgesprochen hatten. Zwischenzeitlich zum Rechnungsrat aufgestiegen wurde Schnitzler am 26. September 1920 mit 59 Prozent der abgegebenen Stimmen – erstmals auch mit den Stimmen der weiblichen Bevölkerung – zum Stadtschultheiß gewählt und am 3. November 1920 in sein Amt eingesetzt.

Schnitzler konnte als erstes Stadtoberhaupt Friedrichshafens wichtige Entscheidungen auf demokratischer Grundlage treffen. In seine Amtszeit fielen einige Neubauten, wie etwa der St. Canisius-Kirche, des Strandbads und der Leichenhalle am Hauptfriedhof. Vor fast genau hundert Jahren, im Oktober 1924, wurde zunächst der Südbau, vier Jahre später der Mittelbau der Volksschule (heutige Pestalozzischule) erstellt. Erweiterungen städtischer Einrichtungen wie Karl-Olga-Krankenhaus, Hafenbahnhof, Feuerwehrhaus, Gaswerk und Stadtgarten fielen in seine Amtszeit. 

Als gewissenhafter Beamter, katholischer Kirchenpfleger und Aufsichtsrat der Friedrichshafener Handwerkerbank war Schnitzler dem „Zentrum“ und damit dem demokratischen Lager der Weimarer Republik zuzurechnen. Obwohl er am 12. Oktober 1930 noch durch freie Wahlen zum Bürgermeister in seiner Funktion bestätigt wurde, setzte ihn NS-Reichsstatthalter Wilhelm Murr in der Gemeinderat-Sitzung am 27. November 1933 als „Weimarer“ ab. Ihm folgte zunächst kommissarisch NS-Stadtrat Rudolf Göttinger, bevor am 3. März 1934 der regimetreue Walter Bärlin als NS-Bürgermeister ernannt wurde. Am 7. September 1954 ernannte Oberbürgermeister Max Grünbeck Johannes Schnitzler zum Ehrenbürger der Stadt, am 3. August 1957 starb Schnitzler 82-jährig in Friedrichshafen.